Harvest

War das ein Andrang im
“Auris”. Am Ostersonntag
hätte wohl nicht mal mehr die
Kirchenmaus der benachbarten
Stephanikirche einen Platz in
der Szenen-Pinte an der Brüg-
gemannstraße gefunden. Wenn-
gleich auch der zierliche Nager
an der Musik von “Harvest”
seine helle Freude gehabt hätte.

Harvest steht für Ernte und es
hat bei objektiver Betrachtung
des Auris-Konzerts fast den
Anschein, als ob die sechs
Musiker nun endlich das Ern-
ten, was sie jahrelang gesät
hatten.

Der Name geistert nun schon
zehn Jahre durch den Nord-
harzer Szenenwald, wenngleich
die Besetzung und vor allem die
musikalische Richtung sich
ständig änderte. Die nunmehr
“endgültige” Formation fand
man im Jahre 77 bei der Eröff-
nung des “Pianos”. Sporadi-
sche Auftritte in diversen
Jugendzentren und Kneipen,
ASTA-Feten und Stadtfeste
folgten.

“Die Jobs sind rar geworden”
gesteht Ralf König, Baßmann
bei Harvest. “Hier in der Gegend
ist einfach nicht viel los”.

Die sechs Musiker haben aber
zudem noch organisatorische
Probleme zu bewältigen.
Keyboard-Spieler Gerd Winkel
kommt zum Üben aus Hanno-
ver, einen noch weiteren Trip
muß Hartmut Dittrich zurück-
legen, der eigens aus Hamburg
nach Goslar kommt.

Trotzdem hofft “Harvest” in der
Zukunft häufiger auftreten
zu können, zumal das Reper-
toire im vergangenen Jahr
überholt, neu arrangiert und
auch erweitert wurde.

Überraschend ist immer wieder
die Synthese der verschieden-
sten Stilrichtungen, die im
typischen “Harvest-Sound”
zusammenfließen.

Während Drummer Dieter Sie-
beneicher und Gitarrist Rainer
Buhl den Jazz bevorzugen, Ralf
König vom Rock kommt, Gerd
Winkel und Achim Piplak eher
poppigere Töne lieben, hat
sich Hartmut Dittrich dem
amerikanischen Westcoast ver-
schrieben.
Das alles bedeutet “Harvest”.
Die Musik ist glücklicherweise
nicht nur von Solis geprägt,
wenn sie kommen, entarten sie
nicht in ekstatischen Ohren-
betäubungen, sondern wirken
melodiös und schmeichelnd.
Der Gesang ist geschickt in den
musikalischen Rahmen einge-
flochten, er erdrückt die Musik
nicht. Die früher von Harvest
so gepflegte akustische Gitarre
ist durch die Tasteninstrumente
abgelöst worden, die der Grup-
pe mehr Klangmöglichkeiten
geben. Die über 150 Besucher
im Auris zeigten sich von der
Rockmusik mit Jazzharmonien,
die kein Jazz-Rock sein will,
jedenfalls begeistert.

Im kommenden Herbst hoffen
“Harvest” endlich die schon
langesehnte Schallplatte auf-
nehmen zu können. Gespart
wird schon seit geraumer Zeit
auf dieses Unternehmen, ob-
wohl man sich keinen finan-
ziellen Drahtseilakten hingibt.
Im Gegensatz zu vielen anderen
Bands hat “Harvest” die Anlage
auch nach und nach erweitert
und nicht zuerst gekauft und
dann versucht durch Auftritte
das Geld wieder reinzuholen.

Von dieser Kaufwelle, der viele
Gruppen unterliegen, ist “Har-
vest” nicht erfaßt, wie von mu-
sikalischen Wellen. Der einmal
eingeschlagene Weg soll konse-
quent weitergeführt werden.
Veranstalter, die diesen Weg
für lobenswert halten, können
unter der Rufnummer (0 53 46)
55 73 Kontakt aufnehmen.
-bal-

(Joachim Balkow über Harvest in
der Goslarschen Zeitung, 1987?)

Rock mit Jazzharmonien aus Goslar